Sonntag, 23. Februar 2014

Ich allein ändere sowieso nichts

Der Satz "Ich allein ändere sowieso nichts" ist gefühlt der, den ich am häufigsten höre und einer von denen die mich am meisten aufregt.
Er ist ein Totschlagargument, mit welchem dem Gegenüber jeder Wind aus den Segeln genommen werden soll und er strotzt nur so von Faulheit. Der Faulheitspunkt befindet sich meiner Meinung nach auf zwei Ebenen.

1. Faulheit, sich einer Diskussion zu stellen

 Dieser Satz begegnet mir immer dann, wenn es um gesellschaftliche Verantwortung geht. In einer ehrlichen Diskussion müsste man sich Gegenargumenten stellen und überlegen, wie man fundiert darauf reagiert. Dies erfordert eine gewissen Reflexion und birgt immer die Gefahr, dass das eigene Weltbild ins Wanken gerät, da man sich gewissermaßen auf die Sichtweise des Gegenübers einlassen muss.

2. Faulheit, an sich zu arbeiten

Die Aussage, dass man allein nichts ändern kann, dient als "Argument", sich noch nicht einmal Gedanken zu machen, wie man etwas ändern könnte. Abgesehen davon, dass man mit dieser Haltung die eigenen geistigen Kräfte bindet, sollte man sich vergegenwärtigen, dass man nicht allein ist. Leider meint die Mehrheit, dass man allein nichts tun könne und handelt demnach weiterhin nach dem, was am offensichtlichsten scheint.


Das Problem was ich bei diesem Verhalten sehe ist eben nicht, dass der Einzelne glaubt, nichts tun zu können oder dass Einzelne nichts tun, sondern dass die Mehrheit nichts tun will und damit die Demokratie ad absurdum führt. Wie mächtig Einzelpersonen sind, wenn sie sich zusammenschließen, sieht man aktuell an der Ukraine und wurde bei jeder historischen Revolution sichtbar. Dieses demokratische Prinzip gilt nicht nur bei Regierungsangelegeneiten, sondern auch beim Einkaufen. Ein wenig Nachdenken von vielen Einzelnen kann gewaltige Auswirkungen haben. Wenn der Großteil der Konsumenten sich entschließt, bestimmte Produktionsbedingungen einfach nicht mehr zu unterstützen, werden Unternehmen die ebenso wirtschaften unter Zugzwang gestellt und müssen die Produktion ändern, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Nun ist die Auswahl an Themengebieten, in denen man sich engagieren kann nahezu unbegrenzt. Da liegt es recht nahe zu sagen: "Ich kann sowieso nicht alles richtig machen, also lass ich es bleiben". Bei diesem Satz kann man sich in aller Ruhe noch einmal meine beiden Faulheitspunkte durchlesen. Es wird mir nie verständlich werden, warum es ein Argument sein soll, nicht auf dem Markt einzukaufen, weil man doch beruflich sowieso ein Auto braucht.

Ein weiterer Punkt, der auf recht zynische Weise zum Lachen animiert, ist dass dieser Satz häufig von Leuten kommt, die in puncto "Moral" (Sexualmoral, Arbeitsmoral, Moral bezüglich der gesellschaftlichen Ordnung etc.) ein Gespräch häufig mit "Wenn das jeder tun würde..." beenden. Aber das lasse ich jetzt einfach mal so stehen.

Dienstag, 11. Februar 2014

Die Einwanderungsinitiative und so

Die letzten Tage war ich in einem ziemlichen Wechselbad der Gefühle. Die Angst, die sich an einigen Stellen eingeschlichen hat (auch ich bin Ausländer in der Schweiz) kann ich verstehen. Aber erstmal der Reihe nach.


Der erste Gedanke, als die Auszählung beendet war und das Ergebnis getwittert wurde war: "Ach du Sch..., oh Sternstunde der Demokratie..."
Der zweite Gedanke war: 50,3% stimmten mit ja und ich kenne so viele Wahlberechtigte, die nicht wählen waren - bitter!
Was danach folgte war ein komplexes Gefüge von Gefühlen, Gedanken, Berichten, Reaktionen. Ein paar Dinge möchte ich hier aufgreifen, denn einiges an den Reaktionen nervt gigantisch.

1. Demokratie verpflichtet
Leute, geht wählen. Wenn ihr eine Stimme habt, erhebt sie! Egal, womit man gestimmt hätte: 50,3% zeigt deutlich, wie knapp manche Sachen sind.
Die Demokratie ist historisch gewachsen und ein sehr hohes Gut. Sie ist nicht entstanden, weil Menschen die Klappe hielten, sondern weil sie ihr Recht auf eine eigene Stimme einforderten. Menschen sind in Europa für die Demokratie gestorben und andernorts werden sie gefoltert und/oder ermordet, weil sie für Demokratie kämpfen. Seine Stimme zu verweigern kann dazu führen, dass die Demokratie demokratisch legitimiert abgeschafft wird. Bitte denkt darüber nach!

2. Was soll dieses pseudomoralische Schweizer-Bashing?!?!
Ob man wirklich über alles das Volk abstimmen lassen sollte, verdient eine eigene Diskussion. An vielen Stellen fehlt dem Individuum die Möglichkeit, alle Konsequenzen einer solchen Initiative abschätzen zu können. Auf der anderen Seite gibt es verdammt gute Gründe, diese Entscheidung nicht allein in die Hände von Parteien zu legen. Ich werde diese Debatte jetzt und hier nicht führen.
Ein anderes Thema ist die Reaktion vieler Nicht-Schweizer auf das Ergebnis der Abstimmung. Auf einmal (wenn auch nicht zum ersten Mal) steht der Schweizer an sich unter Generalverdacht des Rassismus - Bitte hört euch selbst mal reden - wir rassistisch ist das denn???

Der nächste Punkt ist: auch wenn eine solche Abstimmung in anderen Ländern des geografischen Europas nicht möglich wäre - mich gruselt es bei dem Gedanken an das theoretische Ergebnis. In Deutschland gibt es immer noch so genannte "National befreite Zonen". Es gibt Orte, die man nicht betreten sollte, wenn man offenkundig Ausländer ist - zumindest nicht, wenn man Wert auf die eigene Unversehrtheit legt. Nun der Schweiz mit dem moralischen Zeigefinger zu kommen ist verlogen.

Diese panikartigen Spontanreaktion, die Sanktionen gegen die Schweiz verlangen, die fordern, keinen Schweizer Käse mehr zu kaufen (oder ähnlich infantiles und populistisches), machen mir echt Angst. Das Ergebnis der Abstimmung ist denkwürdig und auch für mich befremdlich. Allerdings sollte man besonders jetzt erst mal nachdenken, bevor man um sich beißt, wie ein tollwütiger Pit Bull.

3. Lasst Angst nicht zum Leitmotiv werden!
 Angst vor "Überfremdung", um die Arbeitsplätze, um den eigenen Wohlstand, um die eigene Identität sind einige der Gründe, für ein Ja bei der von der SVP lancierten Einwanderungsinitiative. Angst vor Abschiebung, um den eigenen Arbeitsplatz, den eigenen Wohlstand sind Gründe für das bissige und unreflektive Schweizerbashing, was ich gerade an vielen Stellen bemerke.
Es geht nicht darum, das Ergebnis oder die Initiative schönzureden - ich für meinen Teil hab sowieso keine Lust, in Nationen, Religionen und sonstigem Klimbim zu denken. Es geht darum, erstmal nachzudenken. Es geht darum, zu schauen, wo das alles herkommt und wie man mit diesen Ängsten umgeht. Wenn auf eine solche Initiative mit Drohgebärden reagiert wird und die Betroffenen nur noch aggressiv um sich schlagen - was meint ihr denn, wozu das führt? Genau: zu noch mehr Angst und schon schaukelt man sich schön nach oben.
Ich meine nicht, dass man sich jetzt still zurückziehen sollte und alles schluckt, was da so kommt. Ich halte es für enorm wichtig, die vorhandenen Ängste zu thematisieren - aber doch bitte nicht mit Vorwürfen und nicht angstgeleitet. Angst erzeugt Aggressivität und Abwehrreaktionen und genau das kann gerade keiner wirklich gebrauchen und spielt den Initiatoren von solchen Initiativen in die Hände. Die bessere Idee wäre, selbst gesellschaftliche Pluralität zu leben und faire, reflektierte Debatten zu führen.